Die Interessengemeinschaft Deutscher Kunsthandel vertritt die sechs größten deutschen Kunsthandelsverbände mit ca. 1.000 Mitgliedsunternehmen. Ihre Mitglieder sind der Berufsverband des Deutschen Münzenfachhandels e.V., der Bundesverband Deutscher Galerien und Kunsthändler e.V., der Bundesverband Deutscher Kunstversteigerer e.V., der Kunsthändlerverband Deutschland e.V., der
Verband der deutschen Münzenhändler e.V. und der Verband Deutscher Antiquare e.V.
Das Jahressteuergesetz ist eine Katastrophe für den gesamten deutschen Kulturguthandel – für Händler, Auktionshäuser und Galerien. Wir sind erschüttert, dass die maßgeblich von Deutschland in der EU ermöglichte Wiedereinführung der ermäßigten Umsatzsteuer für Kunstgegenstände, Sammlungsstücke und Antiquitäten nicht umgesetzt wurde. Für den Kunst- und Kulturguthandelsstandort Deutschland ist dies ein schwerer Schlag. Wir bitten dringend darum, den reduzierten Steuersatz von 7% auf Kunstgegenstände, Sammlungsstücke und Antiquitäten in § 12 Absatz 2 Nr. 1 UStG wieder einzuführen.
Der deutsche Kulturgutmarkt ist zwar der zweitgrößte in Europa, hat aber laut Evaluierungsbericht zum Kulturgutschutzgesetz nur einen Umfang von ca. 900 Mio. € (BT Drs. 20/2018, S. 6). Er teilt sich grob hälftig in Primärmarkt (Galerien) und Sekundärmarkt (Händler und Auktionshäuser).
1. Einfuhren aus Drittländern
Bleibt der Regelsteuersatz bei 19%, ist der deutsche Kulturgutmarkt von den wichtigsten Kunst- und Kulturguthandelszentren der Welt abgeschnitten. 80% des weltweiten Kunstmarktes entfallen auf die USA (45%), Großbritannien (17%) und China (18%) (Art Basel – The Art Market 2023, S. 27). Für Deutschland ist darüber hinaus die Schweiz ein wichtiges Einlieferungsland. Alle genannten Länder sind Drittstaaten und nicht Teil der EU, so dass auf Einfuhren aus diesen Ländern Einfuhrumsatzsteuer von 7% entfällt. Das hat nach dem JStG 2024-Entwurf zur Folge, dass sie zukünftig nicht mehr differenzbesteuert durch den deutschen Kulturguthandel verkauft werden können. Die Anwendung der nicht reduzierten Regelbesteuerung auf diese Einlieferungen aus Drittstaaten verteuert die Kunstgegenstände, Sammlungsstücke und Antiquitäten in einem Maße, dass sie unverkäuflich werden. Einlieferer aus Drittstaaten werden daher zukünftig nicht mehr in den deutschen Kulturguthandel einliefern. Es profitieren die europäischen Nachbarstaaten, die eine Reduktion eingeführt haben.
1.1 Neue Gesetzeslage
Im Einzelnen: Der JStG 2024-Entwurf sieht in Art. 21 Nr. 20 Bst. b Doppelbst. bb folgende Neuregelung zur Differenzbesteuerung nach § 25a UStG vor:
„Die Differenzbesteuerung findet keine Anwendung
c) in den Fällen des Absatzes 2, wenn auf den, der Lieferung des
Wiederverkäufers vorangehenden Umsatz ein ermäßigter Steuersatz
angewandt worden ist.“
Die Änderung beruht auf der Neufassung des Art. 316 Abs. 1 MwStSystRL durch Art. 1 Nr. 20
Richtlinie (EU) 2022/542. Es handelt sich um eine Muss-Vorschrift, welche die Mitgliedstaaten
bis spätestens 01.01.2025 in nationales Recht umsetzen müssen.
Neben der Neufassung des Art. 316 Absatz 1 MwStSystRL ergänzt Art. 1 Nr. 23 Richtlinie (EU) 2022/542 auch den Anhang III der RL 2006/112/EG um eine Nr. 26, wonach die Umsatzsteuer für Kunstgegenstände, Antiquitäten und Sammlungsstücke reduziert werden kann. Von dieser Kann-Vorschrift hat der Gesetzgeber im Referentenentwurf keinen Gebrauch gemacht.
Für zum ermäßigten Steuersatz eingeführte Kunstgegenstände, Sammlungsstücke und Antiquitäten fällt damit die Erleichterung aus der Differenzbesteuerung weg. Gleichzeitig versäumt es der Gesetzgeber, für die nun zwingend anzuwendende Regelbesteuerung einen ermäßigten Steuersatz einzuführen. Dies führt zu einer Benachteiligung und Verschlechterung des Kulturguthandels im Vergleich zur derzeitigen Rechtslage. Insbesondere im Kulturguthandel ergibt sich ein eklatanter Unterschied für den Käufer bei Anwendung der Regelbesteuerung im Vergleich zur Differenzbesteuerung.
Der Kulturguthandel in Deutschland wird in zwei Schritten aufgelöst werden. Im ersten Schritt werden sich keine Käufer mehr finden, da der benachbarte europäische Kunsthandel mit reduzierter Umsatzsteuer verkauft. Im zweiten Schritt werden die Einlieferer bzw. Verkäufer nicht mehr im deutschen Kunsthandel verkaufen bzw. einliefern, sondern im benachbarten EU-Ausland, da hier der reduzierte Umsatzsteuersatz Anwendung findet.
1.2 Verknüpfung beider Vorschriften
Beide Regelungen, die Muss-Vorschrift und die Kann-Vorschrift, wurden in einer systematischen Verbindung entwickelt und in einer Richtlinie beschlossen. Dies bedeutet, dass eine Verknüpfung beider Regelungen von der Richtlinie gewollt ist. Zudem lag der Fokus der EU-Kommission bei dieser Richtlinie nicht auf der Einschränkung der Regelung zur Differenzbesteuerung, sondern der Vereinheitlichung der in den verschiedenen Mitgliedstaaten geltenden ermäßigten Steuersätze, insbesondere vor dem Hintergrund der „Green VAT“.
Es erscheint daher nur folgerichtig, neben der zwingenden Umsetzung der Neuregelung zur Differenzbesteuerung gleichzeitig auch den Steuersatz für die Lieferung der nun von der Differenzbesteuerung ausgeschlossenen Gegenstände zu reduzieren. Hierdurch neutralisiert sich die derzeit vorgesehene Verschlechterung durch die zwingende Anwendung der Regelbesteuerung.
1.3 Rechenbeispiel für die neue Regelung im JStG 2024-Entwurf
Nachfolgendes Beispiel zeigt die gravierenden Auswirkungen der neuen Regelung für den Auktionshandel auf:
Variante 1 (neuer Regelung)
Regelbesteuerter Kauf
Zuschlag 1.000,00 €
Aufgeld 270,00 €
Zwischensumme 1.270,00 €
19% USt 241,30 €
Rechnungssumme 1.511,30
Variante 2 (bisherige Regelung)
Differenzbesteuerter Kauf mit 7% Einfuhr
Zuschlag 1.000,00 €
Aufgeld (inkl. USt Differenzbesteuerung) 320,00 €
Rechnungssumme: 1.320,00 €
Kosten Einfuhrumsatzsteuer 7% 92,40 €
Rechnungssumme 1.412,40 €
Die Mehrbelastung des Kunsthandels durch die neue Regelung liegt in diesem Beispiel bei 98,90 €. Das Kulturgut verteuert sich für den Käufer damit um fast 10% des Zuschlagspreises. Der Wegfall der Differenzbesteuerung bei ermäßigt eingeführten Gütern würde neutralisiert, läge der Regelsteuersatz bei 7%. Ein Verzicht auf die ermäßigte Regelbesteuerung würde keinen Steuerverlust gegenüber der heutigen Regelung bedeuten. Darüber hinaus würde sie verhindern, dass Umsätze ins Ausland abwandern und gar keine Steuern erhoben werden können.
1.4 Aufschlag auf den Zuschlagspreis
Der Kulturguthandel hat seit Jahren mit steigenden Kosten zu kämpfen. Der Zuschlagspreis in einer Auktion, also der Preis, bei dem der Hammer fällt, entfernt sich immer weiter von dem Betrag, den der Käufer letztlich zu zahlen hat. Die Käufer werden zukünftig mit Aufschlägen von über 50% auf den Zuschlagspreis belastet werden. Das ist nicht vertretbar. Bei der oben erfolgten Berechnung sind der Übersichtlichkeit halber nicht alle Aufschläge mit einbezogen. So fehlt in der Berechnung beispielsweise die Folgerechtsabgabe nach § 26 UrhG in Höhe von bis zu 4%.
Auch zwingen immer weitere Sorgfaltspflichtsanforderungen den Handel die Margen zu erhöhen. Nach § 42 KGSG hat der Kulturguthandel zahlreiche Sorgfaltspflichten zu erfüllen, um illegalen Handel mit Kulturgütern aufzudecken. Zukünftig soll der Kulturguthandel auch eine immer größere Rolle bei der Aufarbeitung von NS-Unrecht einnehmen und Restitutionen von NS-verfolgungsbedingt entzogenem Kulturgut vorbereiten und durchführen. Dies lässt sich nicht mehr aus den bisherigen Kunsthandelsmargen bestreiten. Mit Millionen aus Steuergeldern werden an Bibliotheken, Museen und öffentlichen kulturgutbewahrenden Institutionen Forschungsstellen eingerichtet, um die Provenienzen der bewahrten Objekte zu erforschen und Raubgut zu restituieren. Der Handel wird dagegen vollkommen allein gelassen, auch wenn die an ihn gelegten Maßstäbe kaum geringer sind. Der Kulturguthandel übernimmt gesellschaftspolitisch extrem wichtige Aufgaben. Dafür muss er steuerlich entlastet und nicht noch weiter belastet werden!
2. Galerien
Von der steuerlichen Belastung sind ebenfalls die Galerien massiv betroffen. Sie bedürfen dringend des ermäßigten Steuersatzes von 7%, um ein weiteres Galeriensterben zu verhindern. Seit Jahren ist die Absenkung der Mehrwertsteuer das Hauptthema der Galerien. Künstler verkaufen ihre Werke mit einem Steuersatz von 7% an die Galerien; die Galerien müssen sie zu einem Steuersatz von 19% weiterverkaufen. Das führt zu einer steuerlichen Ungleichbehandlung von Künstlern und Galerien.
Galerien leisten eine enorme Arbeit, indem sie junge Künstler aufbauen und in den richtigen Sammlungen platzieren. Galeriearbeit ist viel mehr als die reine Vermarktung. Galerien beraten die Künstler bei der Weiterentwicklung ihrer künstlerischen Positionen, stehen ihnen langfristig, auch in schöpferischen Krisen an der Seite und entwickeln mit ihnen zusammen Zukunftsstrategien. Ist ein Künstler erst einmal aufgebaut, verleitet die derzeitige steuerliche Gestaltung Sammler regelmäßig dazu, direkt im Atelier des Künstlers einzukaufen und nicht mehr in der Galerie. In dem Moment, in dem die Galerien die Früchte ihrer Arbeit einfahren könnten, werden sie – beflügelt durch die Steuergesetzgebung – umgangen. Diese, seit 10 Jahren bestehende Schieflage muss dringend wieder rückgängig gemacht werden und der Umsatzsteuersatz wieder auf 7% reduziert werden.
Der JStG2024-Entwurf trifft Galerien mit doppelter Härte: die Anwendung der Differenzbesteuerung wird auf Grundlage der Neufassung der MwStSystRL ausgeschlossen (Art. 21 Nr. 20 Bst. b Doppelbst. Bb JStG 2024-Entwurf) und zusätzlich wird die nun mögliche Anwendung der ermäßigten Umsatzsteuer auf Kunstgegenstände verweigert. Da Kunstwerke stets zu 7% Umsatzsteuer von den Urhebern in die Galerien gegeben werden, wird dem gesamten Galerienmarkt die Differenzbesteuerung genommen. Die Anwendung der Differenzbesteuerung im Primärmarkt, beim Erstverkauf von Kunstwerken durch Galerien, war 2014 jedoch gerade als Kompensation für den Wegfall der ermäßigten Mehrwertsteuer
eingeführt worden. Das ist nicht hinnehmbar.
3. Wettbewerbsverzerrung
Die Kulturnation Frankreich hat das Problem der Einfuhr von Kulturgütern aus Drittstaaten und die Probleme der Galerien erkannt und senkt den Umsatzsteuersatz auf Kulturgüter ab Januar 2025 auf 5,5%. Frankreich ist der größte Kunsthandelsstandort in Europa mit 7% Anteil am Weltmarkt.
Nicht vollständig unbedacht bleiben darf in diesem Zusammenhang auch die Abgabe zur Künstlersozialversicherung, die allein in Deutschland ansässige Galerien entsprechend der Honorare an die Urheber zur Zeit in Höhe von 5% zu leisten haben.
Wenn Deutschland nicht die Umsatzsteuer reduziert, entsteht eine massive Wettbewerbsverzerrung. Genau dem möchte die Richtlinie (EU) 2022/542 entgegenwirken. Es ist nach Erwägungsgrund 1 ihr oberstes Ziel, das Funktionieren des Binnenmarktes zu gewährleisten und Wettbewerbsverzerrungen zu verhindern.
4. Fazit
Der Kunstmarkt bedarf dringend der Entlastung und nicht weiterer Besteuerung. Das JStG 2024-Entwurf führt in Deutschland anstelle einer erwarteten Verbesserung im ohnehin schwierigen Markt zu einer nicht erwarteten Verschlechterung. Wir fordern dringend die Einführung des reduzierten Regelsteuersatzes auf Kunstgegenstände, Sammlungsstücke und Antiquitäten.